in der systemischen Beratung gibt es das Konzept des „Reframing“. Dabei geht es darum, eine bestimmte Sichtweise, ein bestimmtes Verhalten in einen anderen „Rahmen“ („frame" = „Rahmen") zu stellen. Das geschieht z.B. dann, wenn man ein aggressives Verhalten eines Kindes nicht als Feindseligkeit oder Zerstörungswut betrachtet, sondern stattdessen möglicherweise als Ausdruck eines Rufes nach Beachtung versteht. So gibt man ihm einen neuen Bedeutungsrahmen, einen anderen Sinnzusammenhang, man verändert die Perspektive, die der „Rahmen“ vorgibt.
Im neuen Kirchenjahr, das mit dem Advent begonnen hat, werden in den Sonntagsgottesdiensten die Evangelien aus dem Markus-Evangelium genommen. Und im Markusevangelium findet sich gleich im ersten Kapitel ein Satz, der wie ein „Reframing“ alles Nachfolgende einrahmt, der den Bedeutungsrahmen eröffnet, in dessen Licht das Weitere betrachtet werden kann: „...ging Jesus nach Galiläa; er verkündete das Evangelium und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.“
Wenn ich auf das nun begonnene neue Jahr schaue, kommt mir viel Schweres und Bedrohliches und Düsteres in den Sinn. Und wenn ich dann noch Schlagzeilen lese wie „… ein verlorenes Jahr...“, dann verengt das meinen Blick noch weiter.
Was wäre, wenn ich nun das programmatische „Reframing“ des Markus-Evangliums als „Frame“ für das neue Jahr wähle: „die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe“?
Mir kommen dann Gedanken wie: Ja, es gibt auch in der Not, im Leid, in der Krankheit, in der Bedrohung Menschen, die da sind, menschliche Nähe, die tragen hilft, großherzige Menschen, die sich für Solidarität und Gerechtigkeit einsetzen, Menschen, die Ängste mit aushalten. Ja, es gibt auch in den Begrenzungen und Einengungen Freiräume und Erfindungsgeist und Offenheit und Weite in der Seele. Ja, es gibt auch in der Betrübnis Witziges und in der Traurigkeit Lebensmut zu entdecken.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen, dass dieses neue Jahr ein gutes werden möge!
Mit herzlichen Grüßen vom ganzen Domschul-Team